Rezension: Die Bancroft Strategie von Robert Ludlum


"Die Bancroft Strategie" ist ein Thriller des Amerikanischen Erfolgsautoren Robert Ludlum, der den Leser von Beginn weg zu fesseln vermag. Spannende Handlung, überraschende Wendungen, und grosse Themen wie Verrat, Freundschaft, Liebe, Moral und die schwierige Aufgabe, die  Hilfsorganisationen zu bewältigen haben - all das ist auf 650 Seiten zu finden. 

Todd Belknapp, Agent im Dienst der US-Regierung, wird nach einem missglückten Auftrag suspendiert. Sein bester Freund Jared Rinehardt, ebenfalls Agent, wurde entführt, doch seine Abteilung will nichts unternehmen, um ihn wieder zurück zu holen. Dies lässt Belknapp nicht zu und beginnt auf eigene Faust, seinen Freund zu suchen. Dabei verdichten sich die Hinweise, dass Rinehardt in die Hände von Genesis, dem berühmt berüchtigten Verbrecher, der die Geschicke der Unterwelt leitet, gefallen ist. Belknapp nimmt die Spur auf und kommt Genesis gefährlich nahe. Doch dann tauchen plötzlich Ungereimtheiten auf und Belknapp weiss nicht mehr, ob Rinehardt wirklich auf seiner Seite steht. Zudem spielt plötzlich auch die Bancroft-Stiftung, die von Paul Bancroft gegründete Organisation, die sich weltweit für Hilfswerke engagiert, eine Rolle in dem Ganzen.

Unglaublich komplexe Handlung
Ich habe bisher noch kaum Thriller gelesen, die eine solch komplexe und vielschichtige Handlung haben, wie diejenigen von Robert Ludlum. Details, die auf den ersten Seiten am Rande erwähnt werden, spielen in der Mitte des Werks plötzlich eine zentrale Rolle, Personen, von denen man glaubte, sie stünden auf der guten Seite, zeigen plötzlich ihr wahres Ich, und Hilfsorganisationen sind plötzlich in kriminelle Machenschaften verstrickt. Mitten drin in diesem breiten Themenangebot stehen US-Agent Todd Belknapp und Andrea Bancroft, Junior Analystin einer amerikanischen Firma. Obwohl es überladen klingt, schafft es Ludlum, all diese verschiedenen Aspekte miteinander zu verbinden, ohne dass dem Leser grobe Unstimmigkeiten auffallen oder Langeweile aufkommt - genau so spannend und überraschend sollte ein Thriller sein. Dennoch gibt es ein paar Dinge, die nicht logisch sind. Beispielsweise die Tatsache, dass Andrea zwei professionelle Killer umbringen kann, obwohl sie keinerlei Ausbildung hat und zuvor schon viele Fehler beging.  Oder auch die Szene in der die beiden Mörder der Gruppe Theta aufeinander angesetzt werden, sich gegenseitig vergiften und dann miteinander darüber reden. Abgesehen davon ist auch nicht klar, wer den beiden die Aufträge gegeben hat.

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Die Frage nach der Moral
Die Thematik, die im Zentrum des Werks steht, ist hoch brisant und ebenso umstritten. Es geht einerseits um Hilfsorganisationen und andererseits um die Frage, ob man ein Menschenleben auslöschen darf, um einer grösseren Gruppe von Menschen zu helfen. Der Milliardär Paul Bancroft hat eine Stiftung gegründet, die sich bei Hilfsprojekten engagiert, und innerhalb dieser Organisation hat er die Gruppe Theta aufgebaut. Diese Gruppe von Analysten hat sich zum Ziel gesetzt, das Glück mithilfe eines Algorithmus zu berechnen und dafür zu sorgen, dass für möglichst viele Menschen auf der Welt, die Lebensumstände so gut wie möglich ist. Dafür geht Theta über Leichen.
Steht ihren Berechnungen zu Folge, ein Diktator, ein Politiker oder ein Unternehmer einem Hilfsprojekt ihrer Organisation im Weg, wird er liquidiert, damit den Menschen vor Ort geholfen werden kann. Andrea Bancroft, die nichts von diesen Machenschaften wusste, wird von Paul Schritt für Schritt eingeführt, da sich dieser erhofft, dass Andrea, die über einen scharfen Verstand verfügt, eines Tages die Leitung der gesamten Organisation übernehmen wird. Doch Andrea ist anders als Paul. Sie meldet sofort Bedenken an, da für sie jedes Menschenleben einen Wert hat und sie Skrupel hat, einfach das Leben eines Menschen zu beenden, nur um andere zu retten.

Schlusssatz rettet den übertriebenen Kitsch
Obwohl die Geschichte zu überzeugen vermag, gibt es einige Stellen, wo man sich fragen kann, wie realistisch das Ganze ist. So erledigt Andrea beispielsweise zwei Killer, obwohl sie sich weder mit Waffen noch mit Kampfsituationen auskennt. Auch die Tatsache, dass am Ende Paul Bancrofts 13-jähriger Sohn Brandon Genesis sein soll, ist nicht ganz leicht zu akzeptieren. Dennoch, Ludlum konstruiert und erzählt so geschickt und spannend, dass man ihm das problemlos verzeihen kann.
Als ich den Epilog las, dachte ich "O Gott, was für ein Kitsch". Andrea und Todd kommen zusammen, und adoptieren Brandon. Todd, der von seinem angeblich besten Freund Jared verraten und hintergangen wurde, und Brandon, der den Tod seines Vaters Paul verarbeiten muss, finden zueinander  wie Vater und Sohn. Andrea führt die Bancroft Stiftung mit viel Geschick weiter, stets darauf bedacht, die moralische Linie nicht zu überschreiten. Alles ist perfekt - irgendwie will das aber nicht so recht ins bisherige Bild der Geschichte passen.
Und so kam es auch, der letzte Satz rettet für mich die Geschichte vor einem unpassend kitschigen Happy End: "Meinetwegen, machen Sies. Nur dieses eine Mal, aber ... wir tun's!" So die Wort von Andrea, die als Chefin der Bancroft Stiftung gerade einen Mord an einem korrupten Politiker in Auftrag gegeben hat, weil dieser einem Projekt im Weg stand. Dies zeigt, dass auch Menschen mit hohen moralischen Ansprüchen und Überzeugungen Schwierigkeiten haben, eine klare Grenze zu ziehen, bis wohin sie bereit sind zu gehen. Ich finde, das wird mit diesem Schlusssatz sehr schön aufgezeigt. (fba)

Bibliografische Angaben:

Titel: Die Bancroft Strategie
Autor: Robert Ludlum
Seiten: 655
Erschienen: 2006
Verlag: Heyne
ISBN-10: 3453433645
ISBN-13:  978-3453433649
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